47 Milliarden Euro für Bürgergeld in 2024: Eine Summe, die für Schlagzeilen sorgte – und doch nur die Spitze eines Systems zeigt, das sich selbst verstärkt. Mehr Empfänger führen zu höheren Ausgaben. Diese Ausgaben müssen durch Umschichtungen im Haushalt, durch höhere Steuern oder durch zusätzliche Schulden gedeckt werden. Jede dieser Optionen erzeugt politischen Druck: Entweder, weil Steuerzahler und Unternehmen entlastet werden wollen (und müssen), oder weil die Staatsverschuldung begrenzt ist. Gleichzeitig wächst die Erwartungshaltung vieler Bürger, dass Sozialleistungen erhalten oder sogar ausgebaut werden. So entsteht die Gefahr einer wachsenden Ausgabendynamik, die schwer zu bremsen ist – besonders wenn hohe Miet- und Energiekosten oder eine schwache Konjunktur die Entwicklung verstärken.
Sozialstaat am Limit
Im Jahr 2025 erhielten in Deutschland bis Februar durchschnittlich rund 4 Millionen erwerbsfähige, 1,5 Millionen nicht erwerbsfähige und 90.000 weitere Berechtigte Bürgergeld oder Leistungen nach dem SGB II – insgesamt etwa 5,5 Millionen Menschen.
Deutschland gibt derzeit 25,9 % seines Bruttoinlandsprodukts für Sozialleistungen aus – weit über dem OECD-Durchschnitt von 21 %. Nur wenige Länder wie Frankreich liegen höher. Auf den ersten Blick scheint der Anteil seit 2002 mit rund 26 % stabil. Doch hinter dieser Stagnation verbirgt sich ein stetig wachsender Sozialstaat, der tendenziell mehr Aufgaben übernimmt als vergleichbare Industrienationen. Besonders bei Renten, Gesundheit und Pflege liegt Deutschland regelmäßig 1,5 bis 2 Prozentpunkte über dem OECD-Median. IAB-Daten zeigen: 100.000 weniger Bürgergeld-Bezieher entlasten den Staat um etwa drei Milliarden Euro. Unter ukrainischen Kriegsflüchtlingen steigt die Beschäftigungsquote mittlerweile (von 25 % im Okt. 2023 auf nunmehr 33 %). Dennoch braucht es schnellere Integration in Arbeit durch Sprachkurse und Qualifizierung. Auch der Bundesrechnungshof kritisiert Defizite bei der Vermittlung von Bürgergeldempfängern.
📊 Faktenbox: Sozialstaat in Zahlen
- 46,9 Mrd. €: Bürgergeld-Kosten 2024 – Rekordwert
- 25,9 % BIP: Anteil deutscher Sozialausgaben – OECD-Durchschnitt 21 %
- bis zu 70 %: Effektive Belastung beim Hinzuverdienst (ZEW, IWF)
Wenn Arbeiten sich nicht lohnt
Viele Menschen im Bürgergeld stehen vor einem Dilemma. Wenn jemand einen Job annimmt oder mehr Stunden arbeitet, wird das zusätzliche Einkommen stark angerechnet. Ein Teil geht für Steuern drauf, ein anderer Teil wird beim Bürgergeld gekürzt. So bleiben manchmal nur 30 Cent von einem zusätzlich verdienten Euro übrig. Das macht Mehrarbeit wenig attraktiv.
Auf der anderen Seite gibt es beim Bürgergeld hohe Freibeträge für Ersparnisse. Manche Familien können sogar Zehntausende Euro behalten und trotzdem Bürgergeld bekommen. Für einige lohnt es sich daher kaum, schnell wieder zu arbeiten.
Das Ergebnis: Wer mehr tun will, hat finanziell wenig davon. Wer sich im Bürgergeld eingerichtet hat, spürt wenig Druck, etwas zu ändern. So entsteht ein Teufelskreis aus hohen Kosten für den Staat und fehlenden Chancen für Betroffene, sich wirklich aus der Grundsicherung zu lösen.
Bürokratie als Kostentreiber
Hinzu kommt eine aufgeblähte Verwaltung: Anspruchsprüfungen, Sanktionen, Widersprüche, endlose Formulare. Milliarden fließen nicht an Bedürftige, sondern in die Maschinerie der Jobcenter. Das erzeugt nicht nur Kosten, sondern auch Demütigung und Misstrauen – beides zersetzt das Vertrauen in den Staat.
Alternative: Negative Einkommensteuer
Ein Ausweg bietet die negative Einkommensteuer, wie sie schon Milton Friedman skizzierte. Das Prinzip: Wer mit seinem Einkommen unter einer festgelegten Grenze liegt, bekommt automatisch einen Zuschuss vom Finanzamt. Wer mehr verdient, zahlt regulär Steuern. Der Vorteil: Arbeit lohnt sich immer – jeder zusätzlich verdiente Euro erhöht das verfügbare Einkommen. Zudem entfällt ein Großteil der Bürokratie, weil komplizierte Anträge und Kontrollen wegfallen.
Kritiker warnen allerdings: Damit das System tragfähig bleibt, müssten Grenzen und Zuschüsse genau austariert werden, um Missbrauch zu verhindern und die Staatskasse nicht zu überlasten.
So könnte eine Grundsicherung entstehen, die Eigenverantwortung stärkt, Missbrauch begrenzt und Milliarden in Verwaltungskosten spart.
Rückkehr zur Eigenvorsorge
Doch nachhaltige Entlastung bedeutet mehr als ein neues Steuermodell. Auch Eigenvorsorge und lokale Solidarität sollten wieder gestärkt werden. Schon im 19. Jahrhundert organisierten Genossenschaften Kranken- und Altersabsicherungen – effizient, selbstverwaltet, nah an den Menschen. Private Versicherungen ergänzten diese Strukturen lange, bevor der Wohlfahrtsstaat seine heutige Größe erreichte.
Heutzutage ermöglicht die Digitalisierung zudem neue Formen: Nachbarschaftsnetzwerke, digitale Zeitbanken oder genossenschaftliche Pflege-Initiativen können unbürokratische Hilfe leisten und Lücken schließen – flexibel, günstig, menschlich. Sie zeigen: Solidarität muss nicht aus Berlin kommen, sondern kann lokal und eigenverantwortlich organisiert sein.
Fazit
Die rund 47 Milliarden Euro an Kosten sind erschreckend, aber nicht das eigentliche Problem – sie sind das Symptom einer sich auftürmenden Kostenlawine des Sozialstaats, die ineffizienten Strukturen, falschen Anreizen und zentralistischer Steuerung entspringt.
Solange Arbeit sich kaum lohnt und zugleich ein bequemes Auskommen ohne Arbeit möglich ist, wird die Lawine nicht gestoppt. Wer Kosten senken und Solidarität zugleich stärken will, braucht weniger staatliche Bevormundung, weniger Bürokratie, mehr Eigenverantwortung. Eine negative Einkommensteuer, kombiniert mit gestärkten privaten und lokalen Initiativen, wäre ein Schritt aus der Kostenlawine. Hin zu einem Sozialstaat, der nicht Abhängigkeit vom Staat belohnt, sondern Freiheit, Fleiß und Eigenverantwortung.