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6. August 2025

Azubi-Debatte: Probleme politisch lösen, statt neue Abgaben erfinden

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Die BILD titelt drastisch: „Betriebe rechnen brutal mit Azubis ab: nicht belastbar, kein Bock, kein Deutsch“. Viele Unternehmen klagen über mangelnde Motivation, fehlende Belastbarkeit und unzureichende Sprachkenntnisse bei Auszubildenden. Während die Betriebe also die Qualität der Bewerber in Frage stellen, diskutiert die Politik eine ganz andere „Lösung“: die Ausbildungsplatzabgabe.

Vorweg genommen: Dieser Ansatz geht am Kern vorbei. Denn eine Umlage schafft weder Motivation noch Sprachkompetenz. Aus liberaler Sicht braucht es nicht mehr Zwang, sondern mehr Verantwortung, Anreize und Freiheit.

Realität auf dem Ausbildungsmarkt: Bewerbermangel statt Überangebot

Im Jahr 2023 blieb nach aktuellen IAB-Daten 35 Prozent aller angebotenen Ausbildungsplätze unbesetzt – ein historischer Höchstwert, im Jahr 2010 waren es noch 15 Prozent. Dieser Trend ist besonders ausgeprägt in kleinen Betrieben: Kleinstunternehmen (1–9 Beschäftigte) hatten eine Nichtbesetzungsquote von etwa 57 Prozent, während Großbetriebe nur 12 Prozent aufwiesen. Der häufigste Grund: Mangel an geeigneten Bewerbern, nicht zu viele Ausbildungsplätze.

Die duale Ausbildung wandelt sich damit eindeutig zu einem Bewerbermarkt – die Nachfrage junger Menschen reicht nicht, um das Angebot vollständig zu bedienen.

Warum die Ausbildungsplatzabgabe das System schwächt – statt stärkt

Die von Bremen und perspektivisch ab 2027 auch Berlin geplante Ausbildungsplatzabgabe sieht vor, dass Unternehmen, die nicht ausbilden, in einen Fonds zahlen – während ausbildende Betriebe finanziell entlastet werden. Anders als vermutet, verbessert dies jedoch weder die Passung zwischen Azubi und Betrieb noch steigert es Motivation oder Sprachkompetenz.

Unternehmerverbände und IHK-Organisation lehnen diese Umlage scharf ab: Sie verpönt sie als ineffiziente Strafsteuer, die insbesondere kleine und mittelständische Betriebe belastet – ausgerechnet jene, die oft am engagiertesten ausbilden.

Praktisch führt die Abgabe zu mehr Bürokratie, ohne dass strukturelle Verbesserung im Ausbildungsmarkt erzielt wird. Unternehmen mit realen Bewerberproblemen werden bestraft, nicht unterstützt.

Symbolbild (Pixabay / This is Engineering)

Chancen schaffen statt Abgaben erheben

Anstatt auf finanziellen Zwang zu setzen, sollten Maßnahmen verfolgt werden, die Freiheit, Eigenverantwortung und tatsächliche Qualität fördern.

Zunächst muss die Berufsorientierung deutlich früher starten: verpflichtende Praktika ab Klasse 8, praxisnahe Orientierungsmessen und digitale Matching-Plattformen ermöglichen realistische Einblicke und erzielen bessere Bewerber-Betriebs-Passung.

Gleichzeitig nimmt die Sprachkompetenz eine zentrale Rolle ein. Wer kein ausreichendes Deutsch spricht, ist weder im Kundenkontakt noch in der Fachtheorie konkurrenzfähig. Daher sollten verbindliche Einstufungstests vor Ausbildungsbeginn umgesetzt werden, flankiert von praxisnaher Sprachförderung – gekoppelt an zertifizierte Abschlussniveaus (z. B. B2 oder C1) –, verbunden mit Prämien für erfolgreiche Teilnehmer.

Ein weiterer Ansatz sind regionale Verbundlösungen: Vor allem kleine Betriebe profitieren, wenn Sprachförderung, theoretische Weiterbildung oder Mentoring gebündelt organisiert werden. Auf diese Weise entstehen Synergien, ohne einzelne Betriebe zu überfordern – und die Qualität der Ausbildung steigt.

Wesentlich ist: Motivation entsteht durch Anreize, nicht durch Sanktionen. Bonuszahlungen für gute Leistungen, Prämien bei erfolgreichen Sprachzertifikaten oder strukturierte Mentorenprogramme stärken Eigenverantwortung und binden junge Menschen langfristiger an ihre Betriebe. Tatsächlich bieten bereits 62 Prozent der ausbildenden Unternehmen freiwillige Prämien oder Sonderzahlungen an – und nutzen damit ein bewährtes Instrument zur Steigerung der Ausbildungsattraktivität.

Marktwirtschaftliche Verantwortung und gezielte Förderung

Die Herausforderungen rund um Motivation, Belastbarkeit und Sprachkompetenz bei Auszubildenden sind real und müssen adressiert werden. Doch eine gesetzlich verordnete Ausbildungsplatzabgabe ist weder wirtschaftspolitisch wirksam noch perspektivisch nachhaltig. Sie schafft Bürokratie, behindert kleinere Unternehmen und setzt falsche Signale in einem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt.

Was Deutschland und seine duale Ausbildung stärken wird, sind marktorientierte Handlungsspielräume, konkrete Anreizsysteme, verbindliche Sprachstrukturierung, sowie regionale und betriebliche Selbstverantwortung. Nur so kann Ausbildung wieder zu einem tragfähigen Fundament für jungen Menschen werden – und zur Innovationskraft unserer Firmen.

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